Kriminologie des Visuellen. Ordnungen des Sehens und der Sichtbarkeit im Kontext von Kriminalitätskontrolle und Sicherheitspolitiken
Visualisierungen gelten als ein Hinweis auf Relevanz. Erst wenn etwas sichtbar gemacht wird, kann man sich davon „ein Bild machen“, es einordnen, deuten und bewerten. Und umgekehrt: Über die Deutung und Bewertung eines diskursiven Phänomens werden Sichtbarkeiten produziert und damit Bilder erzeugt, die weiterwirken, neue Sinn- und Ordnungsangebote machen. Nicht ohne Grund wird von der „Macht der Bilder“ gesprochen. Dies gilt auch für die Thematisierung von Kriminalität und ihrer Kontrolle wie Beispiele spätestens seit dem 19. Jahrhundert zeigen: von der Rolle der Fotografie bei Bertillons Identifizierungssystem der ‚Verbrecherkartierung’ oder den Zeichnungen der geborenen Verbrecher und Verbrecherinnen bei Lombroso, über die Grafiken klassischer Theorien abweichenden Verhaltens, ihre Kurvenbilder und Infographiken bis zu den modernen Kartierungen städtischer Problemgebiete, den digital erzeugten Hirnbildern, die die vermeintlich abweichenden Areale unserer Gedanken farblich aufzuzeigen versuchen, den Videobildern aus Überwachungskontexten und den Amateuraufnahmen von Gewalt im Internet. Visualität, Visualisierung und Sichtbarkeit berühren Kernthemen kriminologischer Aushandlungen.
Bei der Tagung „Kriminologie des Visuellen“ geht es um Bilder der Kriminalität und der Kontrolle in einem doppelten Sinne: Einerseits beanspruchen Bilder die Realität so wiederzugeben wie sie tatsächlich ist. Mit ihnen wird auch innerhalb der kriminologischen Wissensproduktion ein Wahrheitsanspruch verbunden, der sie nicht nur geeignet macht als Beweis, sondern auch als eigentlicher Träger von Sinn und Evidenz zu wirken. Andererseits zielen Bilder als Repräsentationen auf eine exemplarische Verdeutlichung. Sie sind das Ergebnis einer selektiven Sichtbarmachung und einer produktiven Komposition, über die sie einen sozialen Sinn von dem erzeugen, was Kriminalität und Kriminalitätskontrolle sein und was oder wer als Gefahr wahrgenommen werden soll. Visualisierungen stecken Normalität ab, sie produzieren aber auch Feindbilder genauso wie Identifizierungen sowie affektive und moralische Überzeugungen.
Trotz dieser Allgegenwart von Visualität und ihres Einflusses auf Wissensproduktion wie auf Kontrollpraktiken kommt eine intensivere Auseinandersetzung innerhalb der Kriminologie erst spät und nur langsam in Gang. Dabei sind die sich aufdrängenden Fragen mannigfaltig: Wie, wann und zu welchem Zweck werden Bilder und andere Formen der Visualisierung produziert und wie ändert sich dies im Zeitverlauf? Welche Rolle spielt dabei die Entwicklung von Visualisierungstechnologien? Welche Effekte haben die Visualität und Visualisierung in der kriminal- und sicherheitspolitischen Praxis, bei ihrer gesellschaftlichen Kontrolle und in der Wissensproduktion?
Nähere Informationen zur Tagung finden Sie unter „Tagungen“ auf der GiwK-Seite oder unter http://www.uni-bielefeld.de/(de)/ZIF/AG/2018/03-22-Groenemeyer.html
Das Programm zur Tagung „Kriminologie des Visuellen“ kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.