Nachruf der GiwK e.V. auf Prof. Dr. Axel Groenemeyer (1956-2020)
Am 29. Mai 2020 verstarb Prof. Dr. Axel Groenemeyer, langjähriger Vorsitzender der GiwK e.V., nach schwerer Krankheit und dennoch völlig unerwartet im Alter von nur 64 Jahren. Wir, die verbleibenden Vorstandsmitglieder, spüren die große Lücke, die er hinterlässt, bei allen Aktivitäten des Vereins.
Axel Groenemeyer und die GiwK e.V.
Axel Groenemeyer war seit Ende März 2012 Mitglied des Vorstands der GiwK e.V., zu Beginn als stellvertretender Vorsitzender mit Aufgaben der Geschäftsführung betraut und ab März 2014 als Vorsitzender des Vorstands. Auf der zunächst für das Frühjahr 2020 geplanten Mitgliederversammlung wollte er sich nicht mehr zur Wahl stellen: Er hatte andere Pläne wissenschaftlicher und persönlicher Art für die Zeit bis und nach seiner Pensionierung. Wir haben uns mit ihm auf diese Zeit gefreut, auch weil er der Gesellschaft sicherlich weiterhin hilfsbereit – in fachlicher wie persönlicher Hinsicht – zur Seite gestanden hätte.
Während seiner Vorstandstätigkeit war Axel Groenemeyer an insgesamt fünf größeren Fachtagungen – teils federführend – beteiligt (zu den Tagungen siehe auf dieser Homepage die Rubrik „Archiv zurückliegender Tagungen“). Sein großer, auch international fundierter Sachverstand und sein hohes konzeptionelles wie organisatorisches Engagement prägten diese Tagungen, ohne sie zu dominieren. Stets war er zu kritischen Nachfragen bereit, bisweilen mit einem Augenzwinkern vorgetragen. Ihm gelang es immer wieder, aktuelle soziologische wie kriminologische Themen in interdisziplinärer Perspektive zu bündeln, zu vertiefen und neu zu konturieren.
Axel Groenemeyer hat sich sehr engagiert und erfolgreich für den Vereinszweck der Nachwuchsförderung stark gemacht. Neben seiner arbeitsintensiven Tätigkeit als Vorsitzender der Jury des Fritz Sack-Preises und im Rahmen des Vorstands bei der Verleihung des GiwK-Nachwuchspreises lässt sich hier die Kooperation mit GERN und im konkreten Fall mit der TU Dortmund nennen: So fand an der TU Dortmund vom 19. bis 21. September 2016 die 5th GERN Doctoral Summer School on Deviance, Crime, Social Control, and Criminal Justice statt, welche Axel Groenemeyer mit großem Erfolg plante und durchführte.
Stellvertretender Vorsitzender oder Vorsitzender der GiwK zu sein, bedeutete für ihn nie, einen Führungs- oder Leitungsanspruch zu erheben. Es war stets Arbeiten im Team, sicherlich mit verteilten Aufgaben, aber auf der Basis gemeinsamer Entscheidungen und Verantwortung, möglichst auch in persönlicher Atmosphäre (wie etwa der Verbindung von Vorstandssitzung mit zweitem Frühstück, solange er noch in Bielefeld bahnhofsnah wohnte). Wir haben Axel Groenemeyer als äußerst liebenswerten, solidarischen, in jeder Lage hilfsbereiten und geduldigen Menschen kennengelernt, der sich selbst nie zu wichtig nahm und über sich selbst lachen konnte.
Axel Groenemeyer und die Kriminologie
Axel Groenemeyer war kein Kriminologe, jedenfalls hat er sich nicht so bezeichnet. Er war Soziologe durch und durch – mit einer kritischen Perspektive auf „die Kriminologie“. Diese kritische Perspektive verdeutlicht ein Diskussionsbeitrag, den er auf einem Meeting deutscher Kriminologinnen und Kriminologen gehalten und der in dieser Runde – nach seinem eigenen Bekunden – (auch) für Irritationen gesorgt hat. Ganz offen fragte er: „Wozu Kriminologie – Welche Kriminologie?“ und kritisierte sowohl die Rechtswissenschaft als auch die Kriminologie. Einerseits sei Erstere kaum in der Lage, eine Kriminologie zu integrieren, die sich „als sozialwissenschaftliches, empirisches und auch an Grundlagenfragen und Theorieentwicklung orientiertes Fach“ verstehe. Andererseits sei die Kriminologie „obsessed by crime“. Durch diese Engführung sei sie „tendenziell blind“ gegenüber relevanten gesellschaftlichen Problembereichen und den dortigen Wandlungen. Axel Groenemeyer hatte dabei drei konkrete Problemfelder im Blick: Soziale Kontrolle und Ordnung, „gesellschaftliche und kulturelle Problematisierungen von Unsicherheit und Unordnung“ sowie „Fragen nach gesellschafts- oder kulturtheoretischen Interpretationen des Wandels“ gesellschaftlicher Aufmerksamkeit für solche „Phänomene, die als ‚Verbrechen‘ Konjunktur haben (law-making)“. Analysiere „die Kriminologie“ nun diese Themenfelder leiste sie kaum vermeidbar einen Beitrag zu „ihre[r] Deutung als Kriminalität“ und stärke so deren „strafrechtliche Relevanz“. Nochmals O-Ton Axel Groenemeyer: „Was passiert eigentlich, wenn Gewalt, Prostitution, Drogenkonsum, Protestverhalten, Umwelt und Naturzerstörung, Kindeswohlgefährdung, Schattenwirtschaft, Rechtsradikalismus, psychische Störungen, Menschenhandel und Migration als kriminologisches Problem behandelt werden?“ In diesen Thesen zeigt sich zum einen, wie stark Axel Groenemeyer gesellschaftliche Entwicklungen aus der Perspektive einer Soziologie sozialer Probleme betrachtete, an deren Etablierung er maßgeblich beteiligt war. Zum anderen spiegelt sich hierin das große Interesse an Wandlungsprozessen und damit seine Offenheit gegenüber geschichtswissenschaftlichen Perspektiven.
Nun mögen nicht alle kritischen Kriminologinnen und Kriminologen, Mitglieder der GiwK e.V. oder gar des Vorstands diese Überlegungen vollends unterstützen. Vielleicht sieht sich auch manch eine_r zu Unrecht dem Vorwurf ausgesetzt, blinde Flecke bei der Formulierung eigener kriminologischer Fragestellungen zu haben. Was jedoch unbestritten bleibt, ist das Potential der zutiefst interdisziplinär ausgerichteten Überlegungen von Axel Groenemeyer. Seine kritischen Reflexionen gingen – auch im Rahmen der GiwK e.V. – weit über den Gegenstandsbereich der Kriminologie hinaus.
Wir trauern um Axel Groenemeyer. Mit ihm haben wir einen herausragenden Soziologen und liebenswerten Kollegen verloren, dessen Kreativität, Solidarität und Besonnenheit uns sehr fehlen werden.
Martina Althoff, Christine Graebsch, Birgit Menzel, Bettina Paul, Dorothea Rzepka, Klaus Weinhauer für den Vorstand der GiwK e.V. und ihre Mitglieder