Erzählungen (in) der Kriminologie
Narrationen bilden einen grundlegenden Bestandteil des gesellschaftlichen Umgangs mit Kriminalität. Wenn etwas als ‚kriminell‘ interpretiert und darauf reagiert wird, werden Geschichten erzählt und damit sinnstiftende und möglichst überzeugende Darstellungen von Ereignisverläufen etabliert. Erzählungen stellen dabei keine ‚wahrheitsgetreue‘ Abbildungen sozialer Wirklichkeit dar, auch wenn sie auf außersprachliche Realität referenzieren. Vielmehr handelt es sich um kontextabhängige und wandelbare Gebilde, die eine konstitutive Rolle in der sprachlichen Konstruktion von Kriminalitätswirklichkeit(en) einnehmen. Ob es sich dabei um polizeiliche Vernehmungen, um Auseinandersetzungen vor Gericht, den politischen Diskurs oder die mediale Berichterstattung über Kriminalität handelt: Stets werden spezifische Abläufe des Ereignisses geschildert, Verantwortlichkeiten be- und zugeschrieben, Rechtfertigungen gesucht und alternative Interpretationen bewertet. Auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit Phänomenen der Kriminalität und der Bestrafung lässt sich als eine narrative Form der Wirklichkeitsproduktion fassen. Die Kriminalitätsforschung nutzt nicht nur regelhaft narrativ verfasste Erhebungsmethoden (u.a. Interviews), sondern sie produziert selbst (Wissenschafts‑)Erzählungen: über Begründungszusammenhänge von kriminellem Handeln, über Eskalationsspiralen in Kontrollsituationen oder auch darüber, warum gesellschaftlich überhaupt das Label ‚Kriminalität‘ vergeben wird. Die Erforschung von Kriminalität lässt sich mithin als narratives Geschehen und als machtabhängige Konstitution von Wirklichkeit verstehen.
Die interdisziplinär und international besetzte Tagung (Deutsch/Englisch) widmet sich dieser narrativen Dimension von Kriminalität. Empirische Studienergebnisse werden dabei unter narrativer Perspektive diskutiert und im Hinblick auf ihre theoretisch-methodologischen Implikationen für die Kriminalitätsforschung analysiert.
Das Programm der am 20.03./21.03.2025 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF, Bielefeld) stattfindenden Tagung ist hier abzurufen: 03_20-21_2025_WS Schmidt_Criminology_final
Anmeldung werden erbeten unter:
Sue Fizell (zif-researchsupport@uni-bielefeld.de)